Des dritten Hauptstücks

Fünfter Abschnitt
Von der Unmöglichkeit eines kosmologischen Beweises vom Dasein Gottes

Es war etwas ganz Unnatürliches und eine bloße Neuerung des Schulwitzes, aus einer ganz willkürlich entworfenen Idee das Dasein des ihr entsprechenden Gegenstandes selbst ausklauben zu wollen. In der Tat würde man es nie auf diesem Wege versucht haben, wäre nicht die Bedürfnis unserer Vernunft, zur Existenz überhaupt irgend etwas Notwendiges (bei dem man im Aufsteigen stehenbleiben könne) anzunehmen, vorhergegangen, und wäre nicht die Vernunft, da diese Notwendigkeit unbedingt und a priori gewiß sein muß, gezwungen worden, einen Begriff zu suchen, der, wo möglich, einer solchen Forderung ein Genüge täte, und ein Dasein völlig a priori zu erkennen gebe. Diesen glaubte man nun in der Idee eines allerrealsten Wesens zu finden und so wurde diese nur zur bestimmteren Kenntnis desjenigen, wovon man schon anderweitig überzeugt oder überredet war, es müsse existieren, nämlich des notwendigen Wesens, gebraucht. Indes verhehlte man diesen natürlichen Gang der Vernunft, und, anstatt bei diesem Begriffe zu endigen, versuchte man von ihm anzufangen, um die Notwendigkeit des Daseins aus ihm abzuleiten, die er doch nur zu ergänzen bestimmt war. Hieraus entsprang nun der verunglückte ontologische Beweis, der weder für den natürlichen und gesunden Verstand, noch für die schulgerechte Prüfung etwas Genugtuendes bei sich führt.

Der kosmologische Beweis, den wir jetzt untersuchen wollen, behält die Verknüpfung der absoluten Notwendigkeit mit der höchsten Realität bei, aber anstatt, wie der vorige, von der höchsten Realität auf die Notwendigkeit im Dasein zu schließen, schließt er vielmehr von der zum voraus gegebenen unbedingten Notwendigkeit irgendeines Wesens, auf dessen unbegrenzte Realität, und bringt sofern alles wenigstens in das Geleis einer, ich weiß nicht ob vernünftigen, oder vernünftelnden, wenigstens natürlichen Schlußart, welche nicht allein für den gemeinen, sondern auch den spekulativen Verstand die meiste Überredung bei sich führt; wie sie denn auch sichtbarlich zu allen Beweisen der natürlichen Theologie die ersten Grundlinien zieht, denen man jederzeit nachgegangen ist und ferner nachgehen wird, man mag sie nun durch noch so viel Laubwerk und Schnörkel verzieren und verstecken, als man immer will. Diesen Beweis, den Leibniz auch den a contingentia mundi nannte, wollen wir jetzt vor Augen stellen und der Prüfung unterwerfen.

Er lautet also: Wenn etwas existiert, so muß auch ein schlechterdings notwendiges Wesen existieren. Nun existiere, zum mindesten, ich selbst: also existiert ein absolut notwendiges Wesen. Der Untersatz enthält eine Erfahrung, der Obersatz die Schlußfolge aus einer Erfahrung überhaupt auf das Dasein des Notwendigen.* Also hebt der Beweis eigentlich von der Erfahrung an, mithin ist er nicht gänzlich a priori geführt, oder ontologisch, und weil der Gegenstand aller möglichen Erfahrung Welt heißt, so wird er darum der kosmologische Beweis genannt. Da er auch von aller besonderen Eigenschaft der Gegenstände der Erfahrung, dadurch sich diese Welt von jeder möglichen unterscheiden mag, abstrahiert: so wird er schon in seiner Benennung auch vom physikotheologischen Beweise unterschieden, welcher Beobachtungen der besonderen Beschaffenheit dieser unserer Sinnenwelt zu Beweisgründen braucht.

Nun schließt der Beweis weiter: das notwendige Wesen kann nur auf eine einzige Art, d. i. in Ansehung aller möglichen entgegengesetzten Prädikate nur durch eines derselben, bestimmt werden, folglich muß es durch seinen Begriff durchgängig bestimmt sein. Nun ist nur ein einziger Begriff von einem Dinge möglich, der dasselbe a priori durchgängig bestimmt, nämlich der des entis realissimi: Also ist der Begriff des allerrealsten Wesens der einzige, dadurch ein notwendiges Wesen gedacht werden kann, d. i. es existiert ein höchstes Wesen notwendigerweise.

In diesem kosmologischen Argumente kommen so viel vernünftelnde Grundsätze zusammen, daß die spekulative Vernunft hier alle ihre dialektische Kunst aufgeboten zu haben scheint, um den größtmöglichen transzendentalen Schein zustande zu bringen. Wir wollen ihre Prüfung indessen eine Weile beiseite setzen, um nur eine List derselben offenbar zu machen, mit welcher sie ein altes Argument in verkleideter Gestalt für ein neues aufstellt und sich auf zweier Zeugen Einstimmung beruft, nämlich einen reinen Vernunftzeugen und einen anderen von empirischer Beglaubigung, da es doch nur der erstere allein ist, welcher bloß seinen Anzug und Stimme verändert, um für einen zweiten gehalten zu werden. Um seinen Grund recht sicher zu legen, fußt sich dieser Beweis auf Erfahrung und gibt sich dadurch das Ansehen, als sei er vom ontologischen Beweise unterschieden, der auf lauter reine Begriffe a priori sein ganzes Vertrauen setzt. Dieser Erfahrung aber bedient sich der kosmologische Beweis nur, um einen einzigen Schritt zu tun, nämlich zum Dasein eines notwendigen Wesens überhaupt. Was dieses für Eigenschaften habe, kann der empirische Beweisgrund nicht lehren, sondern da nimmt die Vernunft gänzlich von ihm Abschied und forscht hinter lauter Begriffen: was nämlich ein absolut notwendiges Wesen überhaupt für Eigenschaften haben müsse, (d. i. welches unter allen möglichen Dingen die erforderlichen Bedingungen (requisita) zu einer absoluten Notwendigkeit in sich enthalte. Nun glaubt sie im Begriffe eines allerrealsten Wesens einzig und allein diese Requisite anzutreffen, und schließt sodann: das ist das schlechterdings notwendige Wesen. Es ist aber klar, daß man hierbei voraussetzt, der Begriff eines Wesens von der höchsten Realität tue dem Begriffe der absoluten Notwendigkeit im Dasein völlig genug, d. i. es lasse sich aus jener auf diese schließen; ein Satz, den das ontologische Argument behauptete, welches man also im kosmologischen Beweise annimmt und zum Grunde legt, da man es doch hatte vermeiden wollen. Denn die absolute Notwendigkeit ist ein Dasein aus bloßen Begriffen. Sage ich nun: der Begriff des entis realissimi ist ein solcher Begriff, und zwar der einzige, der zu dem notwendigen Dasein passend und ihm adäquat ist; so muß ich auch einräumen, daß aus ihm das letztere geschlossen werden könne. Es ist also eigentlich nur der ontologische Beweis aus lauter Begriffen, der in dem sogenannten kosmologischen alle Beweiskraft enthält, und die angebliche Erfahrung ist ganz müßig, vielleicht, um uns nur auf den Begriff der absoluten Notwendigkeit zu führen, nicht aber um diese an irgendeinem bestimmten Dinge darzutun. Denn sobald wir dieses zur Absicht haben, müssen wir sofort alle Erfahrung verlassen, und unter reinen Begriffen suchen, welcher von ihnen wohl die Bedingungen der Möglichkeit eines absolut notwendigen Wesens enthalte. Ist aber auf solche Weise nur die Möglichkeit eines solchen Wesens eingesehen, so ist auch sein Dasein dargetan; denn es heißt so viel, als: unter allem Möglichen ist Eines, das absolute Notwendigkeit bei sich führt, d. i. dieses Wesen existiert schlechterdings notwendig.

Alle Blendwerke im Schließen entdecken sich am leichtesten, wenn man sie auf schulgerechte Art vor Augen stellt. Hier ist eine solche Darstellung.

Wenn der Satz richtig ist: ein jedes schlechthin notwendiges Wesen ist zugleich das allerrealste Wesen; (als welches der nervus probandi des kosmologischen Beweises ist;) so muß er sich, wie alle bejahenden Urteile, wenigstens per accidens umkehren lassen; also: einige allerrealste Wesen sind zugleich schlechthin notwendige Wesen. Nun ist aber ein ens realissimum von einem anderen in keinem Stücke unterschieden, und, was also von einigen unter diesem Begriffe enthaltenen gilt, das gilt auch von allen. Mithin werde ich's (in diesem Falle) auch schlechthin umkehren können, d. i. ein jedes allerrealstes Wesen ist ein notwendiges Wesen. Weil nun dieser Satz bloß aus seinen Begriffen a priori bestimmt ist: so muß der bloße Begriff des realsten Wesens auch die absolute Notwendigkeit desselben bei sich führen; welches eben der ontologische Beweis behauptete, und der kosmologische nicht anerkennen wollte, gleichwohl aber seinen Schlüssen, obzwar versteckter Weise, unterlegte.

So ist denn der zweite Weg, den die spekulative Vernunft nimmt, um das Dasein des höchsten Wesens zu beweisen, nicht allein mit dem ersten gleich trüglich, sondern hat noch dieses Tadelhafte an sich, daß er eine ignoratio elenchi begeht, indem er uns verheißt, einen neuen Fußsteig zu führen, aber, nach einem kleinen Umschweif, uns wiederum auf den alten zurückbringt, den wir seinetwegen verlassen hatten.

Ich habe kurz vorher gesagt, daß in diesem kosmologischen Argumente sich ein ganzes Nest von dialektischen Anmaßungen verborgen halte, welches die transzendentale Kritik leicht entdecken und zerstören kann. Ich will sie jetzt nur anführen und es dem schon geübten Leser überlassen, den trüglichen Grundsätzen weiter nachzuforschen und sie aufzuheben.

Da befindet sich denn z. B. l. der transzendentale Grundsatz, vom Zufälligen auf eine Ursache zu schließen, welcher nur in der Sinnenwelt von Bedeutung ist, außerhalb derselben aber auch nicht einmal einen Sinn hat. Denn der bloß intellektuelle Begriff des Zufälligen kann gar keinen synthetischen Satz, wie den der Kausalität, hervorbringen, und der Grundsatz der letzteren hat gar keine Bedeutung und kein Merkmal seines Gebrauchs, als nur in der Sinnenwelt; hier aber sollte er gerade dazu dienen, um über die Sinnenwelt hinaus zu kommen. 2. Der Schluß, von der Unmöglichkeit einer unendlichen Reihe übereinander gegebener Ursachen in der Sinnenwelt auf eine erste Ursache zu schließen, wozu uns die Prinzipien des Vernunftgebrauchs selbst in der Erfahrung nicht berechtigen, vielweniger diesen Grundsatz über dieselbe (wohin diese Kette gar nicht verlängert werden kann) ausdehnen können. 3. Die falsche Selbstbefriedigung der Vernunft, in Ansehung der Vollendung dieser Reihe, dadurch, daß man endlich alle Bedingung, ohne welche doch kein Begriff einer Notwendigkeit stattfinden kann, wegschafft, und, da man alsdann nichts weiter begreifen kann, dieses für eine Vollendung seines Begriffs annimmt. 4. Die Verwechslung der logischen Möglichkeit eines Begriffs von aller vereinigten Realität (ohne inneren Widerspruch) mit der transzendentalen, welche ein Prinzipium der Tunlichkeit einer solchen Synthesis bedarf, das aber wiederum nur auf das Feld möglicher Erfahrungen gehen kann, usw.

Das Kunststück des kosmologischen Beweises zielt bloß darauf ab, um dem Beweise des Daseins eines notwendigen Wesens a priori durch bloße Begriffe auszuweichen, der ontologisch geführt werden müßte, wozu wir uns aber gänzlich unvermögend fühlen. In dieser Absicht schließen wir aus einem zum Grunde gelegten wirklichen Dasein (einer Erfahrung überhaupt), so gut es sich will tun lassen, auf irgendeine schlechterdings notwendige Bedingung desselben. Wir haben alsdann dieser ihre Möglichkeit nicht nötig zu erklären. Denn, wenn bewiesen ist, daß sie da sei, so ist die Frage wegen ihrer Möglichkeit ganz unnötig. Wollen wir nun dieses notwendige Wesen nach seiner Beschaffenheit näher bestimmen, so suchen wir nicht dasjenige, was hinreichend ist, aus seinem Begriffe die Notwendigkeit des Daseins zu begreifen; denn, könnten wir dieses, so hätten wir keine empirische Voraussetzung nötig; nein, wir suchen nur die negative Bedingung, (conditio sine qua non,) ohne welche ein Wesen nicht absolut notwendig sein würde. Nun würde das in aller anderen Art von Schlüssen, aus einer gegebenen Folge auf ihren Grund, wohl angehen; es trifft sich aber hier unglücklicherweise, daß die Bedingung, die man zur absoluten Notwendigkeit fordert, nur in einem einzigen Wesen angetroffen werden kann, welches daher in seinem Begriffe alles, was zur absoluten Notwendigkeit erforderlich ist, enthalten müßte, und also einen Schluß a priori auf dieselbe möglich macht; d. i. ich müßte auch umgekehrt schließen können: welchem Dinge dieser Begriff (der höchsten Realität) zukommt, das ist schlechterdings notwendig, und, kann ich so nicht schließen, (wie ich denn dieses gestehen muß, wenn ich den ontologischen Beweis vermeiden will,) so bin ich auch auf meinem neuen Wege verunglückt und befinde mich wiederum da, von wo ich ausging. Der Begriff des höchsten Wesens tut wohl allen Fragen a priori ein Genüge, die wegen der inneren Bestimmungen eines Dinges können aufgeworfen werden, und ist darum auch ein Ideal ohne Gleiches, weil der allgemeine Begriff dasselbe zugleich als ein Individuum unter allen möglichen Dingen auszeichnet. Er tut aber der Frage wegen seines eigenen Daseins gar kein Genüge, als warum es doch eigentlich nur zu tun war, und man konnte auf die Erkundigung dessen, der das Dasein eines notwendigen Wesens annahm, und nur wissen wollte, welches denn unter allen Dingen dafür angesehen werden müsse, nicht antworten: Dies hier ist das notwendige Wesen.

Es mag wohl erlaubt sein, das Dasein eines Wesens von der höchsten Zulänglichkeit, als Ursache zu allen möglichen Wirkungen, anzunehmen, um der Vernunft die Einheit der Erklärungsgründe, welche sie sucht, zu erleichtern. Allein, sich so viel herauszunehmen, daß man sogar sage: ein solches Wesen existiert notwendig, ist nicht mehr die bescheidene Äußerung einer erlaubten Hypothese, sondern die dreiste Anmaßung einer apodiktischen Gewißheit; denn, was man als schlechthin notwendig zu erkennen vorgibt, davon muß auch die Erkenntnis absolute Notwendigkeit bei sich führen.

Die ganze Aufgabe des transzendentalen Ideals kommt darauf an: entweder zu der absoluten Notwendigkeit einen Begriff, oder zu dem Begriffe von irgendeinem Dinge die absolute Notwendigkeit desselben zu finden. Kann man das eine, so muß man auch das andere können; denn als schlechthin notwendig erkennt die Vernunft nur dasjenige, was aus seinem Begriffe notwendig ist. Aber beides übersteigt gänzlich alle äußersten Bestrebungen, unseren Verstand über diesen Punkt zu befriedigen, aber auch alle Versuche, ihn wegen dieses seines Unvermögens zu beruhigen.

Die unbedingte Notwendigkeit, die wir, als den letzten Träger aller Dinge, so unentbehrlich bedürfen, ist der wahre Abgrund für die menschliche Vernunft. Selbst die Ewigkeit, so schauderhaft erhaben sie auch ein Haller schildern mag, macht lange den schwindligen Eindruck nicht auf das Gemüt; denn sie mißt nur die Dauer der Dinge, aber trägt sie nicht. Man kann sich des Gedanken nicht erwehren, man kann ihn aber auch nicht ertragen: daß ein Wesen, welches wir uns auch als das höchste unter allen möglichen vorstellen, gleichsam zu sich selbst sage: Ich bin von Ewigkeit zu Ewigkeit, außer mir ist nichts, ohne das, was bloß durch meinen Willen etwas ist; aber woher bin ich denn? Hier sinkt alles unter uns, und die größte Vollkommenheit, wie die kleinste, schwebt ohne Haltung bloß vor der spekulativen Vernunft, der es nichts kostet, die eine so wie die andere ohne die mindeste Hindernis verschwinden zu lassen.

Viele Kräfte der Natur, die ihr Dasein durch gewisse Wirkungen äußern, bleiben für uns unerforschlich; denn wir können ihnen durch Beobachtung nicht weit genug nachspüren. Das den Erscheinungen zum Grunde liegende transzendentale Objekt, und mit demselben der Grund, warum unsere Sinnlichkeit diese vielmehr als andere oberste Bedingungen habe, sind und bleiben für uns unerforschlich, obzwar die Sache selbst übrigens gegeben, aber nur nicht eingesehen ist. Ein Ideal der reinen Vernunft kann aber nicht unerforschlich heißen, weil es weiter keine Beglaubigung seiner Realität aufzuweisen hat, als die Bedürfnis der Vernunft, vermittelst desselben alle synthetische Einheit zu vollenden. Da es also nicht einmal als denkbarer Gegenstand gegeben ist, so ist es auch nicht als ein solcher unerforschlich; vielmehr muß er, als bloße Idee, in der Natur der Vernunft seinen Sitz und seine Auflösung finden, und also erforscht werden können; denn eben darin besteht Vernunft, daß wir von allen unseren Begriffen, Meinungen und Behauptungen, es sei aus objektiven, oder, wenn sie ein bloßer Schein sind, aus subjektiven Gründen Rechenschaft geben können.


* Diese Schlußfolge ist zu bekannt, als das es nötig wäre, sie hier weitläufig vorzutragen. Sie beruht auf dem vermeintlich transzendentalen Naturgesetz der Kausalität: daß alles Zufällige seine Ursache habe, die, wenn sie wiederum zufällig ist, ebensowohl eine Ursache haben muß, bis die Reihe der einander untergeordneten Ursachen sich bei einer schlechthin notwendigen Ursache endigen muß, ohne welche sie keine Vollständigkeit haben würde. Zurück


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