Gut ist das, was vermittelst der Vernunft, durch den bloßen Begriff, gefällt. Wir nennen einiges wozu gut (das Nützliche), was nur als Mittel gefällt; ein anderes aber an sich gut, was für sich selbst gefällt. In beiden ist immer der Begriff eines Zwecks, mithin das Verhältnis der Vernunft zum (wenigstens möglichen) Wollen, folglich ein Wohlgefallen am Dasein eines Objekts oder einer Handlung, d. i. irgendein Interesse, enthalten.
Um etwas gut zu finden, muß ich jederzeit wissen, was der Gegenstand für ein Ding sein solle, d. i. einen Begriff von demselben haben. Um Schönheit woran zu finden, habe ich das nicht nötig. Blumen, freie Zeichnungen, ohne Absicht ineinandergeschlungene Züge, unter dem Namen des Laubwerks, bedeuten nichts, hängen von keinem bestimmten Begriffe ab und gefallen doch. Das Wohlgefallen am Schönen muß von der Reflexion über einen Gegenstand, die zu irgendeinem Begriffe (unbestimmt welchem) führt, abhängen; und unterscheidet sich dadurch auch vom Angenehmen, welches ganz auf der Empfindung beruht.
Zwar scheint das Angenehme mit dem Guten in vielen Fällen einerlei zu sein. So wird man gemeiniglich sagen: alles (vornehmlich dauerhafte) Vergnügen ist an sich selbst gut; welches ungefähr so viel heißt, als dauerhaft-angenehm oder gut sein, ist einerlei. Allein man kann bald bemerken, daß dieses bloß eine fehlerhafte Wortvertauschung sei, da die Begriffe, welche diesen Ausdrücken eigentümlich anhängen, keinesweges gegeneinander ausgetauscht werden können. Das Angenehme, das, als ein solches, den Gegenstand lediglich in Beziehung auf den Sinn vorstellt, muß allererst durch den Begriff eines Zwecks unter Prinzipien der Vernunft gebracht werden, um es, als Gegenstand des Willens, gut zu nennen. Daß dieses aber alsdann eine ganz andere Beziehung auf das Wohlgefallen sei, wenn ich das, was vergnügt, zugleich gut nenne, ist daraus zu ersehen, daß beim Guten immer die Frage ist, ob es bloß mittelbar-gut oder unmittelbar-gut (ob nützlich oder an sich gut) sei; da hingegen beim Angenehmen hierüber gar nicht die Frage sein kann, indem das Wort jederzeit etwas bedeutet, was unmittelbar gefällt. (Ebenso ist es auch mit dem, was ich schön nenne, bewandt.)
Selbst in den gemeinsten Reden unterscheidet man das Angenehme vom Guten. Von einem durch Gewürze und andere Zusätze den Geschmack erhebenden Gerichte sagt man ohne Bedenken, es sei angenehm, und gesteht zugleich, daß es nicht gut sei: weil es zwar unmittelbar den Sinnen behagt, mittelbar aber, d. i. durch die Vernunft, die auf die Folgen hinaus sieht, betrachtet, mißfällt. Selbst in der Beurteilung der Gesundheit kann man noch diesen Unterschied bemerken. Sie ist jedem, der sie besitzt, unmittelbar angenehm (wenigstens negativ, d. i. als Entfernung aller körperlichen Schmerzen). Aber, um zu sagen, daß sie gut sei, muß man sie noch durch die Vernunft auf Zwecke richten, nämlich daß sie ein Zustand ist, der uns zu allen unsern Geschäften aufgelegt macht. In Absicht der Glückseligkeit glaubt endlich doch jedermann, die größte Summe (der Menge sowohl als Dauer nach) der Annehmlichkeiten des Lebens, ein wahres, ja sogar das höchste Gut nennen zu können. Allein auch dawider sträubt sich die Vernunft. Annehmlichkeit ist Genuß. Ist es aber auch auf diesen allein angelegt, so wäre es töricht, skrupulös in Ansehung der Mittel zu sein, die ihn uns verschaffen, ob er leidend, von der Freigebigkeit der Natur, oder durch Selbsttätigkeit und unser eignes Wirken erlangt wäre. Daß aber eines Menschen Existenz an sich einen Wert habe, welcher bloß lebt (und in dieser Absicht noch so sehr geschäftig ist) um zu genießen, sogar wenn er dabei andern, die alle ebensowohl nur aufs Genießen ausgehen, als Mittel dazu aufs beste beförderlich wäre, und zwar darum, weil er durch Sympathie alles Vergnügen mitgenösse: das wird sich die Vernunft nie überreden lassen. Nur durch das, was er tut, ohne Rücksicht auf Genuß, in voller Freiheit und unabhängig von dem, was ihm die Natur auch leidend verschaffen könnte, gibt er seinem Dasein als der Existenz einer Person einen absoluten Wert; und die Glückseligkeit ist, mit der ganzen Fülle ihrer Annehmlichkeit, bei weitem nicht ein unbedingtes Gut*.
Aber, ungeachtet aller dieser Verschiedenheit zwischen dem Angenehmen und Guten, kommen beide doch darin überein: daß sie jederzeit mit einem Interesse an ihrem Gegenstande verbunden sind, nicht allein das Angenehme § 3, und das mittelbar Gute (das Nützliche), welches als Mittel zu irgendeiner Annehmlichkeit gefällt, sondern auch das schlechterdings und in aller Absicht Gute, nämlich das moralische, welches das höchste Interesse bei sich führt. Denn das Gute ist das Objekt des Willens (d. i. eines durch Vernunft bestimmten Begehrungsvermögens). Etwas aber wollen, und an dem Dasein desselben ein Wohlgefallen haben d. i. daran ein Interesse nehmen, ist identisch.
* Eine Verbindlichkeit zum Genießen ist eine offenbare Ungereimtheit. Eben das muß also auch eine vorgegebene Verbindlichkeit zu allen Handlungen sein, die zu ihrem Ziele bloß das Genießen haben: dieses mag nun so geistig ausgedacht (oder verbrämt) sein, wie es wolle, und wenn es auch ein mystischer sogenannter himmlischer Genuß wäre.